30.09.2011

Erinnerung

Anthologie Gegenwart und Zukunft versöhnenErinnerung



Erinnerung

In: Anthologie "Gegenwart und Zukunft versöhnen". 
edition haag (hg. v. H.-A. Herchen). Haag + Herchen, Frankfurt a. M. 1992


Noch nie hatte er die Sonne so gesehen. Eine glühende rote Kugel. Das war nicht mehr die gelbliche, blasse Sonne des Nordens. Das war die Sonne des Südens, die sich durch die stickige, schwüle Luft drückte und mit ihrem flimmernden Widerschein die Wolkenschichten erhellte. Er sah, daß sich diese Sonne vor dem Fenster seines Arbeitszimmers postierte. Er hoffte auf den Abend, hoffte auf die Nacht, hoffte auf das Verschwinden dieser Sonne. Doch der Tag hatte gerade erst begonnen.

Gegen Mittag hielt er es nicht mehr aus. Er schloß die Augen. Zahlen und Linien verschwanden. Doch diese Sonne verschwand nicht, wich aber langsam weiter und weiter in den Hintergrund. Davor wuchs eine Sandwüste an, eine Karawane quälte sich durch den Staub. All diese Bilder aber überragte das Bild der Stadt. Er stand plötzlich inmitten der Stadt und trug lange fremdländische Gewänder. Seine Haut war verbrannt. Als er sich umdrehte, sah er, wie ihm die Karawane in die Stadt folgte. Er gehörte dazu, gehörte zu jener Karawane und zu jener Stadt.

Ein herrlich würziger Geruch schwebte über allem. Er näherte sich mit einem Teil seiner Karawane dem Marktplatz. Solche Teppiche hatte er noch nie gesehen. Der alte Mann, der sie verkaufte, nickte ihm zu. Sein Blick floß in ihn ein. Er starrte den alten Händler an, starrte unverwandt in dessen braune Augen.

'Ich kenn' ihn. Den Mann kenn' ich doch von irgendwoher. Jetzt winkt er mir. Was soll ich bloß machen? - Weitergehen! Frank, zwing dich weiterzugehen!'

Sonderbar klang in ihm der Gedanke an seinen eigenen Namen. Frank. Das paßte nicht hierher, gehörte nicht in diese Stadt.

Er war weitergegangen. Vorbei an schmutzigen Häusern, durch enge Gassen. Ein Liebespaar kam ihm entgegen. Sie trug ein langes, buntes, silberbesticktes Gewand. Im schwarzglänzenden Haar sonnte sich eine blutrote Rose. Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihn. Er schrak zusammen. Sah den beiden hinterher. Bemerkte, daß der junge Mann ein blitzendes Messer im Gürtel trug. An der Ecke saß eine alte, uralte Frau, die bot getrocknete Blumen feil. Das Tuch hatte sie bis tief in die Stirn gezogen.

Da wurde er aufgehalten. Ein kräftiger, breitschultriger Mann stand vor ihm. Der redete auf ihn ein. Der schrie ihn an. Ihm wurde plötzlich der ekelhafte Fischgeruch voll bewußt, der über der Gasse hing. Der breitschultrige Mann packte ihn am Arm. Ihm wurde übel.

Er zuckte zusammen und starrte auf die Zahlen und Linien auf dem weißen Papier. Vorsichtig näherte er sich dem Fenster und zog die Vorhänge zu. Doch der Strahlenkranz durchbrach das matte Blau der Gardinen. Hände schienen sich ihm aus den Strahlen entgegenzustrecken. Er wich voller Entsetzen zurück. Schweißgebadet griff er zur Klinke, schloß die Tür geräuschlos. Hastete über den Flur.

'Wenn mich jetzt jemand sieht.' Dieser Gedanke zerhämmerte ihm die Schläfen.

Im Keller zwischen Gerümpel fand er sich wieder. Als er sich setzte, verrutschte ein Metallteil und gab einen entsetzlichen Klang von sich. Erstarrt verharrte er einige Minuten, lehnte sich zurück und wartete. Kein Traum quälte ihn. Er wachte nicht mehr, doch er schlief auch nicht. In diesem Dämmerzustand drang nur ein monotones Klopfen von irgendwoher. Wie lange er so saß, wußte er nicht. Die Kälte machte ihm zu schaffen und dieses eigenartige Klopfen. Er wollte schlafen, war müde. Aber er fürchtete sich vor dieser Sonne und vor diesem Traum. Endlich wagte er, aufzustehen. Schlich sich aus dem Keller, aus dem Institut und beeilte sich, durch die dunklen Straßen zu laufen. Je dunkler je besser, schien es ihm. Plötzlich sah er einen Lichtstrahl. Dieser fiel auf seinen Arm, aber nur mit halber Kraft.

'Wenn ich weitergehe und wieder diese Sonne sehe ...' Entsetzt wich er zurück. Er hörte wieder ein Klopfen, genau wie vor einer Stunde im Keller. Es war sein Herz, das so schlug.

'Bin ich verrückt? Los Frank, vorwärts!'

Angenehm fiel es ihm auf, daß dieser Name in diese Stadt und in diese dunkle Straße paßte. Frank wagte sich zwei Schritte weiter und atmete erleichtert auf. Der Mond, der stille Begleiter vieler seiner Nächte stand vor ihm in vollster Anmut und Größe. Es schien, als grinse der ihn an.

'Ja, ja lach du nur! Ich wette, du magst die Sonne genausowenig wie ich.'

"Doch ich mag sie."

'Ich muß ins Irrenhaus. Morgen wird man mich hinschaffen.'

Da überholten ihn zwei Männer.

"Sie ist hübsch und gut gebaut", meinte der eine.

"Einen komischen Geschmack hast du ", lachte der andere.

'Jetzt aber nichts wie heim!' nahm sich Frank erleichtert vor.

Seine Frau wunderte sich sehr, als er Pappe vor die Schlafzimmerfenster nagelte und ihr in gebieterischem Ton (das erste Mal, daß er einen solchen Ton in den langen Jahren ihrer Ehe anschlug) befahl, die dunklen Gardinen zu holen und im Schlafzimmer anzubringen. Dabei sah er dermaßen wild und furchtbar aus, daß sie entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten widerspruchslos seinem Wunsche nachkam. Frank legte sich zu Bett und schlief sofort ein. Den Wecker hatte er auf vier Uhr gestellt. Er wollte noch im Dunkeln zur Arbeit gehen.

Als er aufwachte und sich anziehen wollte, hielt ihn nun doch seine Frau zurück.

"Leg dich wieder hin. Immer bist du so auf die Arbeit versessen. Heute ist Sonnabend!"

Er legte sich und zog die Decke straff über seinen Kopf. Zitternd schlief er wieder ein. Und nun packte ihn doch erneut dieser schreckliche Traum.

Frank stand in einem niedrigen, schwach beleuchteten Zimmer. Sein Blick fiel zuerst auf den Tisch. Eine Kerze verbreitete von da ihr flackerndes Licht. Dort lagen Essenreste auf fremdländischem Geschirr. Dann traf sein Blick mit dem schwarzen Augenpaar einer Frau zusammen, die ihr langes schwarzes Haar unter einem Tuch verbarg. An ihrer Brust steckte eine rote Rose. Sie sah traurig auf und ihr entsetzter Blick versetzte ihn in Unruhe. Neben ihr stand eine Wiege aus dunklem, grobem Holz. Das Kind konnte er nicht sehen. Es fiel ihm jetzt auf, daß hier sehr arme Leute wohnen mußten. Über allem lag eine dicke Staubschicht. Er hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt und betrachtete einen zerbrochenen Krug, dessen Scherben rechts neben ihm an der Wand lagen. Ein Stück weiter stand ein Stuhl auf drei Beinen und über dem ganzen Raum hing wieder dieser ekelhafte Fischgeruch. Warm war es, schwül. Ihm trat der Schweiß auf die Stirn. Die Frau starrte ihn unablässig an. Mit der einen Hand begann sie jetzt ihr Kind zu schaukeln. Er wollte sich losreißen von diesem Blick, wollte fliehen. Er machte eine Bewegung. Da warf sich die Frau ihm entgegen. Frank spürte ihren heißen Atem. Sie flüsterte ihm unverständliche Worte ins Ohr. Dann ließ sie plötzlich von ihm ab. Sie wandte das Gesicht zur Wand. Das Tuch hatte sich gelöst und das Haar fiel ihr über die Schultern. Ja, sie war schön. Doch er liebte sie nicht wie ein Mann seine Geliebte liebt. Er liebte sie auf andere Art. Es war seine Schwester.

Ein Mann trat auf ihn zu. Dieser war gleichsam dem Halbdunkel des Zimmers entwachsen. Auch er hatte dunkle, durchdringende Augen. Doch spiegelte sich in ihnen Ruhe. Diese Ruhe tat gut. Sein Gesicht war sonnenverbrannt und faltig. Um seinen Mund zitterte es. Frank erkannte den alten Verkäufer wieder. Der Alte führte ihn zum Tisch, deutete auf einen Stuhl, der schmierig und fleckig war wie mit ™l begossen. Doch Frank setzte sich. Der Mann begann, ihm etwas zu erklären, was er nicht verstand. Er sah nur den Mund des Alten, hörte die für ihn zusammenhangslosen Silben, die leise, ganz leise gesprochen wurden. Dann schwieg der Mann, als erwarte er, daß nun er - Frank - spräche.

"Ich bin Frank", sagte Frank, und wieder fiel ihm auf, daß sein Name nicht hierherpaßte.

"Entschuldigen sie bitte, ich weiß nicht wie ich hierherkomme. Ich war vielleicht schonmal hier, aber ich habe alles vergessen. Lassen sie mich doch bitte in Ruhe. Ich bin Mathematiker, wissen sie. Lassen sie mich gehen, bitte!"

Der Alte schwieg, zog plötzlich ein Messer aus seinem Gurt und legte es auf den Tisch. Dann packte er Franks Hand und drückte sie auf den Messerknauf. Franks Herz zog sich zusammen. Er zitterte. Der Alte trat zu der jungen Frau und legte einen Arm um sie. Sie stand noch immer mit abgewandtem Gesicht.

'Das ist ihr Vater', dachte es in Frank.

'Dann ist er aber auch mein Vater, denn sie ist ja meine Schwester.'

Das Entsetzen schnürte ihm die Gurgel zu. Er warf das Messer auf den Boden und sprang auf. Er wollte hinausrennen, doch er war wie gelähmt. Er starrte auf beide - auf Vater und Tochter.

'Ich hab' mir doch nie etwas zu schulden kommen lassen. Ich war doch immer darum bemüht den Marktwert meiner Person zu erhöhen.'

Die Worte "Marktwert meiner Person" taten ihm wohl, das klang so schön gelehrt, so schön aus seiner Welt, so nördlich ...

'Warum das alles? Ich werde am besten gehen.'

Und er ging langsam bis zur Tür. Da packte ihn eine Hand mit festem Griff ...

Schweißgebadet fuhr er auf. Durch die dunklen Vorhänge schimmerte der Strahlenglanz dieser Sonne. Seine Frau murmelte etwas von "schon zehn Uhr" und ging schnell wieder aus dem Zimmer. Sie sah verängstigt aus. Frank sprang aus dem Bett, raffte seinen Laptop, Taschenrechner, Bleistift, Kugelschreiber und Blätter zusammen, rannte im Schlafanzug in den Keller. Er schloß sich ein. Rechnete wie ein Wahnsinniger. Bearbeitete sinnlose Aufgaben den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch. Verfertigte sinnlose Zeichnungen. Am Morgen des nächsten Tages war ihm alles über. Er warf den Taschenrechner in die Ecke. Nahm nur den Bleistift und den Zeichenblock, rannte in seine Wohnung, zog sich eilends an, zerbrach einige Gläser als er gegen einen Schrank torkelte. Seine Frau wich zurück. Er hörte, wie sie sich im Bad einschloß.

Den Bleistift in der einen, den Block in der anderen Hand, stürzte er ins Stadtzentrum. Wozu er diese Utensilien mitgenommen hatte, wußte er nicht.

'Ich muß diese Leute wiederfinden. Sie müssen hier irgendwo wohnen. Ich habe sie doch gekannt. Sie kamen aus meinem früheren Leben oder aus der Welt meiner Vorfahren? Sie sind hergekommen, mich zurückzuholen. Sie rufen mich. Ich habe Angst vor ihnen. Sie sollen zurückgehen. Mein Platz ist hier in dieser Stadt mit den Hochhäusern, den verstopften Straßen, den Supermärkten. Mein Leben ... Wieviele Leben hat der Mensch? Habe ich vielleicht schon einmal gelebt? Habe ich dort gelebt? Unsinn - Seelenwanderung. Soetwas gibt's nicht. Hab ich gelesen, war genau bewiesen. Gehirnströme ... Psychologie. Ich muß zu einem Psychologen, muß mich analysieren lassen. Irgendwas muß mich in letzter Zeit aufgeregt haben. Ja, danach wird mich der Psychologe fragen. Aber ich habe mich überhaupt nicht aufgeregt. Alles war ruhig und friedlich wie immer. Ich habe meine Arbeit erledigt, pünktlich und genau. ... So führt das zu nichts. Ich muß diese Leute finden, muß sie wegschicken. Ich will nicht mit ihnen gehen. Sie müssen in ihr Land und in ihre Zeit zurückkehren. Das Messer - was sollte ich mit dem Messer? Der Süden ist heiß, da gibt's Leidenschaften, Morde aus Leidenschaft, blutige Rache. Ich sollte vielleicht jemanden rächen. Gut, daß ich zur rechten Zeit geflohen bin.

Ich muß mit den Leuten reden, vernünftig ... Vater und Schwester werd' ich sagen, besser ehemaliger Vater und Schwester oder Vater und Schwester eines meiner früheren Leben ... Ja Sonne, du glutrote Sonne, du bist schuld. Warum konntest du nicht klein und gelb bleiben wie es sich für unseren Norden gehört. Was mußtest du dich aufplustern und rot werden wie das Blut. Blut - Mörder ... Entsetzlich! Also, sag ich, lieber Vater und liebe Schwester ...'

Entsetzt gewahrte er plötzlich, daß die Gesichter der beiden Traumgestalten verschwammen, undeutlich wurden, zu verlöschen drohten.

'Ich muß sie aufhalten, sonst kann ich sie nicht finden.'

Halt! Da fielen ihm der Bleistift und der Zeichenblock ein. Er setzte sich, nicht darauf achtend, wo er saß und begann zu zeichnen. Passanten, die vorübergingen hielten ihn wohl für einen Künstler. Er warf einige Striche aufs Papier. Plötzlich erinnerte er sich daran, daß er früher gern und gut gezeichnet hatte. Oft hatte er mitten auf der Straße gesessen und die Leute angestarrt. Hatte ihm ein Gesicht gefallen, versuchte er, es zu zeichnen, freute er sich, wenn er eine Ähnlichkeit erreicht hatte. Manchmal sah er sich dann abends riesige Kunstalben an. Die Bilder Caspar David Friedrichs, Gauguins - die hatten ihn beeindruckt. In seiner kindlichen Seele waren damals mehr und mehr Bilder entstanden. Er konnte sie gar nicht alle festhalten auf dem Papier. Er lebte in seiner eigenen Welt. Ein ernster Mann und Kunstverständiger prophezeite ihm eine Karriere als Maler. Er hatte damals für einen Augenblick daran geglaubt.

Doch dann erzählte ihm jemand, er sei gut in Mathematik, hätte Talent fürs Technische, müsse etwas in dieser Richtung studieren. Vor allem mit technischen Kenntnissen könne man heutzutage etwas werden. Immer mehr Leute erzählten ihm das. Er glaubte schließlich auch selbst daran, war davon überzeugt, sich eine feste Existenz schaffen zu müssen. Nun lachte er über seine Künstlerträume. Schließlich wurde er Mathematiker und hatte seit über 20 Jahren kein Bild mehr gezeichnet, daß etwas anderes als eine Hyperbel oder Parabel dargestellt hätte.

Als er nun zeichnete, gewannen alte Erinnerungen Macht über ihn. Doch nur für kurze Zeit, denn er mußte sich konzentrieren. Er mußte doch diese Traumgestalten zeichnen. Wie er sich auch bemühte und quälte - es half nichts. Frank stellte fest, daß er eine ganze Menge ihm aus diesem Leben recht bekannter Personen gezeichnet hatte - seine Frau, seine Tochter, seine jetzigen Eltern, seinen Nachbarn, mit dem er ständig in Streit geriet ... Wütend malte er mehr und mehr. Aber welche Gesichter er auch ersann, alle entstammten sie seiner täglichen Umgebung. Er versuchte, wenigstens die Karawane zu entwerfen. Endlich glaubte er, eine der Traumgestalten getroffen zu haben. Er sah genauer hin, seine Augen wurden starr. Er hatte sich selbst gezeichnet, wie er an der Spitze der Karawane in eine fremde Stadt einzog.

Da stand er auf, rannte ein Stück. Setzte sich wieder, zeichnete. Stand wieder auf. Verzweiflung hatte sich seiner bemächtigt. Er befürchtete, er könne seinen Vater und seine Schwester aus der Vergangenheit nicht wiederfinden. Als die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwand, hatte er das letzte Blatt seines Blockes verbraucht. Erschöpft sank er zusammen, ihm wurde bewußt, daß er in einem fremden Garten auf einer Bank saß. Es war ihm unverständlich, wie er hierhergekommen war. Die Nacht war lau. Er streckte sich auf der Bank aus. Er wollte diesen Traum wieder, wollte Vater und Schwester wiedersehen, er mußte sie finden, mußte sie zeichnen. Aber er fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf. Es war noch ganz dunkel, als er erwachte. Frank lauschte mit offenen Augen in die Nacht.

'Was soll ich tun? Was wird nun werden? Wo bin ich überhaupt?'

Schließlich schlief er gegen Morgen erneut ein und endlich träumte er. Seine Schwester stand am Strand eines großen leuchtenden Meeres. Ihre braunen Füße hoben sich von dem weißen Sand ab. Sie trug ihr Kind auf dem Arm. Der Vater war ein Stück ins Wasser gewatet, um ein Boot an Land zu ziehen. Plötzlich lief auch sie zu dem Boot. Er sah, wie sich ihr schwarzes Haar im Wind bäumte.

'Sie ist schön', dachte er wieder.

Der Vater nahm die Ruder. Dann stieg er noch einmal aus, trat auf Frank zu, spuckte ihm ins Gesicht, stieg wieder in sein Boot und brachte dieses mit kräftigen Schlägen vom Ufer weg. Frank stand und sah ihnen hinterher bis das Boot am Horizont verschwand. Er sah sich um, vor ihm lag eine glühende Ebene, eine Wüste. Er preßte sein Gesicht auf die heißen Körner und ... erwachte. Ein kleines Kind sah ihn strafend an. Es stand da mit einem Spaten und wollte im Sandkasten spielen. Frank fuhr auf. Ein Stück entfernt neben einer Bank sah er weiße Blätter liegen. Seine weißen Blätter! Frank raffte die Blätter zusammen, rannte bis zur nächsten Straßenecke, winkte einem Taxi, nannte seine Adresse. Furchtbar mußte er aussehen, denn der Fahrer beobachtete ihn die ganze Zeit im Rückspiegel. Schnell schloß er die Augen, spürte eine eigenartige Wärme, und schon war er vor seinem Haus. Mechanisch bezahlte er, stieg aus, warf einen Blick auf die Bilder, Scham und Angst überkamen ihn. Jedes Bild zerriß er einzeln in kleine Stücke, die er in die Mülltonne warf. Seiner Frau sagte er etwas von Überarbeitung und Sonnenstich. Die Arme hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und machte ihm nun schnell einen Kaffee. Frank sah aus dem Fenster. Jetzt wagte er, sich die Sonne anzusehen. Gelb und blaß lachte sie von einem wasserblauen Himmel.

'Na, da wären wir wieder zu Hause.' Sein Herz wurde vor Freude weit.

"Schönes Wetter heute, wie wär's mit einem Ausflug?" wandte er sich an seine Frau.

"Du mußt doch zur Arbeit", entgegnete sie zaghaft. "Du kommst bereits zu spät."

"Es ist das erste Mal in all den Jahren."

Er erhob sich lächelnd, während er seine Tasche packte, beschäftigte es ihn doch wieder, warum ihm wohl der Mann ins Gesicht gespuckt haben mochte. Er hatte das Gefühl, diese Frage nicht mehr loszuwerden, aber er haßte sinnlose Grübelei.

Dann nahm er die Autoschlüssel und ging. Grüßte auf der Treppe freundlich wie seit langem nicht seinen Nachbarn - Anton - den er in Gedanken plötzlich scherzhaft Antonio nannte. Ein kleiner Sonnenfleck huschte über die Treppe.



  

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