Die Spur der weißen Blume
Die Spur der weißen Blume.
Eine schwule Liebe. Roman
Haag + Herchen Verlag, Frankfurt a. M. 1998, ISBN 3-86137-646-6
Björn Seidel-Dreffke: Die Spur der weißen Blume. Eine schwule Liebe. Roman.
Frankfurt a. M. 1998. 216 Seiten. Paperback. EUR 12,70. ISBN 3-86137-646-6
Frankfurt a. M. 1998. 216 Seiten. Paperback. EUR 12,70. ISBN 3-86137-646-6
"Unterdrückung der Leidenschaft führt zur Konzentration auf das wirklich Wichtige", denkt der Geschichtsphilosoph Gerd Wegner während eines sonnenglühenden Urlaubssommers. Das mühsam aufrechterhaltene Scheinverhältnis zur langjährigen Freundin hat sich stabilisiert; zudem darf sich Wegner jetzt Professor nennen ... Und ausgerechnet hier in der Abgeschiedenheit des Thühringer Waldes überfällt ihn die ganz große Leidenschaft zum 28jährigen Uwe Jens, der gegenüber die Erinnerung an alle früheren Begegnungen mit jungen Männern verblaßt.
Vor dem Hintergrund der konfliktreichen, von Eifersuchtsqualen und reuevoller Untreue belasteten Elementar-Beziehung bietet der Roman ein dichtes Raster gleichgeschlechtlicher Problematik in der Nachwendezeit der neuen Bundesländer.
Ein differenzierter, psychologisch genauer Roman, der "harte Schreibweise" mit lyrischem Melos und der Poesie mythologisierender Traumsequenzen verschmilzt. Feinfühlig wirbt er um Verständnis für die Lebensform der Homosexuellen.
HAAG+HERCHEN Verlag GmbH * Fichardstraße 30 * D-60322 Frankfurt a. M.
Exposé:
"Unterdrückung der Leidenschaft führt zur Konzentration auf das wirklich Wichtige", denkt der Geschichtsphilosoph Gerd Wegner während eines sonnenglühenden Urlaubssommers. Das mühsam aufrechterhaltene Scheinverhältnis zur langjährigen Freundin hat sich stabilisiert; zudem darf Wegner sich jetzt Professor nennen ... Und ausgerechnet hier in der Abgeschiedenheit des Thüringer Waldes überfällt ihn die ganz große Leidenschaft, der gegenüber die Erinnerung an alle früheren Begegnungen mit jungen Männern verblaßt.
Der 28jährige Uwe Jens, in einem nahegelegenen Krankenhaus als Pfleger arbeitend, hat Abitur, wollte vor der Wende Agraringenieur werden. "... aber 89 ... beschloß ich zunächst einmal den Ausbruch. Ich wußte, daß ich anders bin, und ich wollte es nun leben." Doch immer war Uwe auf der Suche nicht nur nach flüchtiger Berührung, kurzer heftiger Befriedigung, sondern nach der überwältigenden männlichen Liebe, bleibender Bindung. In Gerd Wegner glaubte er den "Lover" fürs Leben gefunden zu haben, folgt ihm zum Studium nach Berlin. Vor dem Hintergrund der konfliktreichen, von Eifersuchtsqualen und reuevoller Untreue belasteten Elementar-Beziehung bietet der Roman ein dichtes Raster gleichgeschlechtlicher Problematik in der Nachwendezeit der neuen Bundesländer. Eine Schwuleninitiative an der Universität entsteht, der Wegner zunächst zögerlich fernbleibt. In der Kirche in Pankow wird eine symbolische Massenhochzeit von Schwulen, von Lesben inszeniert - dort dringt Gerd mit einem Strauß blutbetropfter weißer Blumen im letzten Augenblick zu Uwe vor ... Nun plötzlich willens, alle Dimensionen seiner Veranlagung tabulos auszuleben, locken Wegner unversehens Lokale und Örtlichkeiten, die er bisher peinlich gemieden hatte. Professor Unrat nennt er sich selber. Am Schluß beichtet ihm ein neuer Gefährte, der von Erfahrungen jugendlicher Vergewaltigung und sadistischer Mißhandlung zu erzählen weiß, er sei an Aids erkrankt.
Ein differenzierter, psychologisch genauer Roman, der "harte Schreibweise" mit lyrischem Melos und der Poesie mythologisierender Traumsequenzen verschmilzt. Feinfühlig wirbt er um Verständnis für die Lebensform der Homosexuellen, ohne die Augen vor Abgründen dieser Daseinsprägung zu verschließen.
Rezension:
Rezension zu: Die Spur der weißen Blume. Eine schwule Liebe.
Carola Heller: In: Lexikon homosexuelle Belletristik.
Hrsg.: Wolfgang Popp und Dirck Linck, Universität-GH Siegen, FB 3
Der Roman "Die Spur der weißen Blume" von Björn Seidel-Dreffke beginnt mit einer mystisch-religiös verklärten Allegorie. Der Hauptheld muß im Traum seinen Partner schwer verwunden und anschließend gesundpflegen, um mit ihm in den Kampf ziehen zu können. Dieser "Spur des Blutes", welche den starken Sexualtrieb versinnbildlich, einerseits und der "Spur der weißen Blume", einem Bild für moralische Ansprüche, andererseits möchte die Handlung folgen. Am Ende begegnen wir wieder dem Traumbild, in dem der Held nun symbolisch das Kreuz der aus diesem Dilemma folgenden Zerrissenheit trägt. Verschärft wird der Konflikt durch die am Ende der Handlung ins Spiel gebrachte Bedrohung durch Aids.
Ganz sicher möchte der Autor mit diesem Roman um Verständnis für homosexuelle Veranlagung und Lebensweise werben. Das mag an manchen Stellen überzogen wirken, so sind z. B. übertriebene Ablehnung und Unverständnis durch die Menschen im Umfeld des Haupthelden nicht überzeugend.
Ein schwuler Professor bekennt sich im Verlauf der Handlung zu seiner Veranlagung, die er fortan mit allen Konsequenzen leben möchte. Sein sensibler Partner möchte den unsteten Lebenswandel der eigenen Vergangenheit aufgeben und glaubt, in Prof. Wegner den Partner fürs Leben gefunden zu haben. Die hohen moralischen Ansprüche, die der junge Mann an den in seiner neuen Lebensweise noch unsicheren Philosophen stellt, kann dieser nicht erfüllen. Daraus resultiert ein Wechselspiel von Trennungen und Versöhnungen, in welchem die Aktionen der Partner allerdings nicht immer ausreichend nachvollziehbar geschildert werden.
Insgesamt verfehlt das Werk sein Ziel jedoch nicht. Es verdeutlicht, daß sich homosexuellen Fühlen und Denken nicht wesentlich von der Gefühlswelt anders veranlagter Menschen unterscheidet. Dem Stellenwert homosexueller Lebensform in der Gesellschaft versucht der Autor gerecht zu werden, indem er das Engagement der Schwulen in der Öffentlichkeit darstellt.
Was stilistische Qualität und Intensität anbelangt, nimmt der Roman mit fortschreitender Handlung an Stärke zu. Es hat den Anschein, als gewönne der Autor im Prozeß des Schreibens an Sicherheit.
Rezension:
Rezension zu: Die Spur der weißen Blume. Eine schwule Liebe.
Carola Heller: In: Lexikon homosexuelle Belletristik.
Hrsg.: Wolfgang Popp und Dirck Linck, Universität-GH Siegen, FB 3
Der Roman "Die Spur der weißen Blume" von Björn Seidel-Dreffke beginnt mit einer mystisch-religiös verklärten Allegorie. Der Hauptheld muß im Traum seinen Partner schwer verwunden und anschließend gesundpflegen, um mit ihm in den Kampf ziehen zu können. Dieser "Spur des Blutes", welche den starken Sexualtrieb versinnbildlich, einerseits und der "Spur der weißen Blume", einem Bild für moralische Ansprüche, andererseits möchte die Handlung folgen. Am Ende begegnen wir wieder dem Traumbild, in dem der Held nun symbolisch das Kreuz der aus diesem Dilemma folgenden Zerrissenheit trägt. Verschärft wird der Konflikt durch die am Ende der Handlung ins Spiel gebrachte Bedrohung durch Aids.
Ganz sicher möchte der Autor mit diesem Roman um Verständnis für homosexuelle Veranlagung und Lebensweise werben. Das mag an manchen Stellen überzogen wirken, so sind z. B. übertriebene Ablehnung und Unverständnis durch die Menschen im Umfeld des Haupthelden nicht überzeugend.
Ein schwuler Professor bekennt sich im Verlauf der Handlung zu seiner Veranlagung, die er fortan mit allen Konsequenzen leben möchte. Sein sensibler Partner möchte den unsteten Lebenswandel der eigenen Vergangenheit aufgeben und glaubt, in Prof. Wegner den Partner fürs Leben gefunden zu haben. Die hohen moralischen Ansprüche, die der junge Mann an den in seiner neuen Lebensweise noch unsicheren Philosophen stellt, kann dieser nicht erfüllen. Daraus resultiert ein Wechselspiel von Trennungen und Versöhnungen, in welchem die Aktionen der Partner allerdings nicht immer ausreichend nachvollziehbar geschildert werden.
Insgesamt verfehlt das Werk sein Ziel jedoch nicht. Es verdeutlicht, daß sich homosexuellen Fühlen und Denken nicht wesentlich von der Gefühlswelt anders veranlagter Menschen unterscheidet. Dem Stellenwert homosexueller Lebensform in der Gesellschaft versucht der Autor gerecht zu werden, indem er das Engagement der Schwulen in der Öffentlichkeit darstellt.
Was stilistische Qualität und Intensität anbelangt, nimmt der Roman mit fortschreitender Handlung an Stärke zu. Es hat den Anschein, als gewönne der Autor im Prozeß des Schreibens an Sicherheit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen